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Autor Druckerfreundliche DarstellungDie Sage vom Fährmann zu Speyer
Walburga

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Wohnort: Schmitten-Treisberg


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Geschrieben: 06.08.2010 06:54

Viele Sagen und Geschichten gibt es über den Rhein und seine Umgebung. Nicht wenige davon erzählen von der Überquerung des gewaltigen Stroms. Das ist nicht verwunderlich, denn für die damaligen Menschen war der Rhein etwas Unheimliches und Trennendes und den Fährleuten haftete ein mystischer Hauch an. Noch bis in das 19. Jahrhundert gab es nur wenige Brücken über den Rhein. Sowohl Händler als auch Reisende mussten Furten oder Fähren benutzen. In der Umgebung von Speyer gab es fünf solcher Fähren und diese trugen zum großen Teil dazu bei, dass das Geld in den Kassen der Bischöfe klingelte.

Meine Geschichte beginnt in einer nebligen Herbstnacht des Jahres 1813. Der Fährmann unterhalb des Domes hat sich im Schutze eines Lindenbaum lang hingestreckt. Sanft rauscht das Laub über ihm und so schläft er ein. Warum auch nicht, wer will schon in der Dunkelheit übersetzen. Plötzlich dröhnt ein donnernder Ruf an sein Ohr:

„Wach auf! Wach auf, Du Wächter am Strome!“

Noch im Halbschlaf hört der Fährmann, wie die Glocken des Domes zwölf schlagen und als er die Augen öffnet, erkennt er einen großen Kerl im dunklen Gewand vor sich. Stumm bedeutet dieser ihm, dass er über den Rhein gefahren werden will. Nur halbwachend, wie trunken geht der Fährmann voran zu seinem Kahn. Aber kaum hat er die Kette, mit der das Schiff gesichert ist, gelöst, schweben noch mehr dunkle Gestalten heran. Dem Fährmann graut es in seinen Gedanken:

„Es tönet kein Wort, es rauschet kein Kleid,
wie Nebel durchzieh’n sie die Dunkelheit.“

Und so stößt er ebenfalls schweigend den Kahn ab. Aber welch ein Wunder, er braucht gar nicht zu rudern, das Schiff scheint wie von Geisterhand über den Rhein zu fliegen. Und ohne, dass er eigentlich so recht weiß, wann und wie er dazu gekommen ist, hält er den Lohn in seiner Hand. Er blickt den Gestalten nach, die über das Feld entschwinden und irgendwie ist es ihm, als würden in der Ferne Waffen klirren.

Sinnend steckt der Fährmann das Geld ein, rudert nach Speyer zurück, bindet seinen Kahn sorgfältig an, geht zu dem Lindenbaum und setzt sich darunter. Erst hier scheint er wirklich ganz aufzuwachen:

„Ach wie wunderlich man träumen kann? ... Doch halt, was ist das? Geld in meiner Tasche? Hab ich doch gestern erst alles ausgegeben für die Steuern. Wo kommt dies jetzt her? War es etwa doch kein Traum?“

In der vierten Nacht darauf wird der Fährmann jedoch erneut geweckt – gerade als die Glocke im Dom wieder zwölf schlägt:

„Hol über, Fährmann! Hol über!“

In seine bange Erwartung mischt sich jedoch dieses Mal Neugier. Und so ist er eilfertig dabei, ans andere Ufer überzusetzen. Und siehe da, es ist wieder die düstere Schaar, die schwebend in seinen Kahn steigt. Der Fährmann zählt leise mit:

„Eins, zwei, drei ...“ 8 große starke Männer in dunkle Umhänge gehüllt, keiner spricht ein Wort bis zu dem Zeitpunkt, als jeder einzelne ihm am anderen Ufer eine Münze in die Hand gibt: „Habt Dank, guter Mann!“, um dann in Richtung Dom zu entschwinden. Unter den wehenden Mänteln erkennt der Fährmann jedoch – flüchtig nur - Schwerter und Schilde, Seide und Samt, Gold und Edelsteine. Und als er sich die Münzen später unter dem Lindenbaum im Schein der aufgehenden Sonne näher betrachtet, blinken ihm kaiserliche Antlitze entgegen.

Es vergehen jedoch einige Tage und Wochen, bis er diese Erscheinung wirklich versteht. Erst als er öfter als gewohnt vom anderen Ufer gerufen wird, französische Soldaten auf der Flucht seine Dienste in Anspruch nehmen, da erkennt er, dass er die acht Kaiser über den Rhein gesetzt hat. Sie waren ausgezogen, um dem deutschen Volk in der Schlacht bei Leipzig beizustehen und das Reich zu einen.



Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen -
Erwachsenen, damit sie aufwachen.

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