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Autor Druckerfreundliche DarstellungHärmlein von Reifenberg
Walburga

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Geschrieben: 06.08.2010 06:44

Meine Geschichte erzählt von Begebenheiten, die sich vor über 600 Jahren hier im Taunus zugetragen haben. Habt Ihr Lust, mich in diese Zeit zu begleiten? Ihr braucht nicht ängstlich sein, unsere Reise beginnt an einem Ort, den Ihr Euch sehr gut auch heute genauso vorstellen könnt. Wenn Ihr möchtet, dann schließt vielleicht zu Beginn die Augen und ich werde Euch den Ort beschreiben.

Vom Gipfel des Feldbergs her wehte ein lauer Sommerwind. Damals nahmen die Menschen den Wind noch als Atmen der Natur wahr. Und im Schatten des Waldes an der Nordseite des Altkönigs erklang es düster und unheimlich. Undurchdringlich für die Sommersonne standen hier die säulenähnlichen Riesenstämme der Tannen und das Einzige, was dem Waldboden Farbe verlieh, war hier und da ein grellroter Fliegenpilz.

Aber lasst uns in unseren Gedanken mit dem Wind ein wenig weiter ziehen zu einer sonnenüberfluteten Waldwiese. Dort wiegten sich hohe Gräser und leuchtende Blumen in einem geisterhaften Nicken hin und her. Ein aufmerksamer Blick konnte dazwischen die Fahrspur entdecken, wo an manchen Tagen schweres Gefährt durch die Schneise rollte. Als der Harzduft der Tannen mit dem Windhauch über den Waldweg hinweg gezogen war, hielten die Blumen ihre Kelche dürstend still. Und wenn Ihr jetzt die Augen wieder auf tut, dann könnt Ihr es fast erleben, wie es ist, wenn die Sonne am Mittag eines Tages einem die Sicht nimmt, weil es flirrt und flimmert. Und genauso war es damals auch. Drückende Hitze hing zwischen den Tannen auf der einen und den Buchen auf der anderen Seite der Schneise.

Plötzlich zerriss das Kreischen eines Hähers die Stille. Schimpfend flatterte der Vogel bergauf. Dann kam aus dem Unterholz des Buchenstandes ein leises Knacken und Knistern und ein helles Klirren, als würde Eisernes versehentlich angestoßen. Und nun tauchte unten, wo die Schneise einen Bogen machte, plötzlich aus den Blättern der nickende Kopf eines schwer ziehenden Pferdes auf. Dahinter, vom Sonnenschein weißleuchtend, schwankte die Plane eines Fuhrwerks. Je näher sie kamen um so vernehmlicher war auch das Knirschen und Geächze der Wagenräder.

Das Gefährt neigte sich bald links, bald rechts zur Seite. Es schien, als sei der Kutscher ungeübt. Der Braune, der davor stapfte, schnob und schnaufte, verlangsamte plötzlich den Schritt, spitzte die Ohren und richtete die Nüstern nach dem Buchendickicht.

Im selben Moment durchdrang das Schwirren einer Sehne die Luft und ein Bolz schoss über die Schneise. Da ... in der Wagenplane klaffte ein Riss und der Wehschrei eines Menschen erklang kurz und jämmerlich.

Der Braune war mit dem Wagen stehen geblieben und aus den Buchen näherten sich schnell zwei Gewappnete. Normalerweise sind ja Pferde Fluchttiere, jedoch musste jemand die Zügel heftig angezogen haben. Der eine der Knechte wollte gerade die Plane lüften, um nach dem Unheil zu sehen, das da angerichtet war. Da kam um die Wegbiegung an der untern Schneise ein Reiter mit zwei bepackten Saumpferden. Als er die Männer sah, riss er die Zügel herum und stob mit Hussah und Halloh davon. Diesem Manne hatte der Überfall eigentlich gegolten.

„Wer hieß Dich auf das harmlose Fuhrwerk zu zielen? Warum konntest Du Deinen Übermut nicht in Zaum halten, den Finger nicht am Schnapper bewahren?“ So dröhnte die Stimme eines riesenhaften Alten, der nun ebenfalls aus dem Buchendickicht trat. Er trug einen Brustharnisch, über den ein langer Graubart floss. Unter der Eisenhaube hervor lugte erblichenes Haar. Das finstere Gesicht, aus dem ungewöhnlich blaue Augen hervorleuchteten, war wettergebräunt.

Der nichtangesprochene Knecht, Michel mit Namen, hatte mittlerweile die Plane gelüftet: „Herr, Du meine Güte! Kommt sehen, Isgrim ... der Philipp hat ein Weib erschossen ... ein Kindlein liegt daneben!“

Da hob der riesenhafte Alte die Faust und ließ sie mit schwerem Schlag dem Voreiligen ins Genick fallen. Der sank in die Knie, erhob sich schweigend und wankte mit fahlem Gesicht abseits. Dort verhüllte er seine Augen, während Isgrim weiter fluchte und wetterte und mit dem anderen Knecht versuchte, die Plane von den Leitern zu heben:

„Scher Dich heim – oder scher dich in des Satans Hölle! Unser Herr wird dir ohnehin den handgreiflichen Lohn nicht schuldig bleiben!“

Bevor der Philipp jedoch sein Pferd aus dem Dickicht holte und voraus zur Reifenberger Burg ritt, riskierte er noch einen letzten Blick zum Wagen. Auf seinen starken Armen hob Isgrim gerade ein Weib heraus, das eine blutende Wunde hatte. Während Isgrim ihr mitleidig die Hand auf die Stirn legte, sah sich Michel auf dem Wagen weiter um. Viel war es nicht, was er vorfand: Brot, ein irdener Topf, ein Bündelchen Frauenkleider und Kindswäsche, ein weniges Kupfergeld und eine einzelne Silbermünze. Das Kindlein schlief und ahnte nichts. In einem kleinen Holzkäfig sprang ein seltsames Tier umher. Der Knecht hatte dergleichen noch nie gesehen. Er wollte Isgrim fragen und hielt es hoch.

In dem Moment schlug die Frau ihre Augen auf. Um des Kindes Willen wollte Isgrim ihr noch wenigstens entlocken, wer sie denn gewesen sei. Aber auch wenn er sein Ohr ganz dicht an ihren Mund hielt, konnte er nur einen Wortfetzen vernehmen: „Härmli...“ Und schon flüchteten Schatten über ihr Antlitz ... und sie war gestorben.

Isgrim nahm seine Stahlhaube ab. Dann bettete er das Kindlein, das inzwischen auch vom Wagen geholt war, hinein. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie klein das Kind noch war. „Härmlein heißest du also – und dabei kennst du den Harm doch nicht, der da vor dir liegt! Deine Mutter wird wohl zum fahrenden Volk gehört haben und so bist du nun ganz allein auf dieser Welt.“

„Und was ist das nun für ein lustiges Tierlein da in dem Käfig?“ wollte Michel noch wissen.

„Ein Wiesel ist’s! So lass uns aufsitzen, dass wir vor der Dunkelheit auf Reifenberg sind.“

Kuno von Reifenberg, der noch recht junge Burgherr, galt als ungestümer und jähzorniger Ritter. Jeder wusste, dass er ungern einen anhörte, der nichts Gutes zu vermelden hatte. So war die Drohung von Isgrim dem Todesschützen Philipp gegenüber nicht so dahin gesagt. Und, um es vor dem Zorn des Ritters zu schützen, wollte er zunächst das Kind in gute Hände geben.

Das Gesinde der Burg drängte sich um Michel, der den Wagen steuerte und Isgrim. Ein junges Weib hielt sich am Steigbügel des Alten fest und lief neben seinem Schecken her. Es war Friedlin, die Brettchenweberin: „Sag mir, was habt ihr auf der Fuchstanzschneise geschafft? Mein Philipp kam heim, bleich als wär’ ihm der Tannenschreck begegnet. Nun steht er nicht Red noch Antwort, sitzt traurig daheim und lässt den Kopf hängen. ... was habt ihr da?“

Und aus den Armen von Isgrim nahm sie den Helm entgegen und vernahm gleichzeitig die Kunde, dass ihr Mann dem Kindlein darin die Mutter erschoss.

„Oh, dieses schreckliche Raubwerk, das ihr auch treiben müsst! Mög’s Gott meinem Philipp nicht entgelten.“

Während Friedlin das inzwischen weinende Kind tröstete, herzte und mit den eigenen Tränen kämpfte – denn seit 3 Jahren hatte sie sich schon nach einem Kindlein gesehnt – war Isgrim von seinem Pferd abgestiegen. Er scheuchte die zeternden und neugierigen Weiber auseinander und befahl, dass man den Wagen in den Schuppen bringe und der Toten einen stillen Platz vergönne, wo ihr der letzte Schlaf nicht durch die müßigen Gaffer gestört werde.

Erst danach ging Isgrim zu seinem Herrn, um ihm von dem Entkommen des Bergtolsheimer Krämers und dem daraus entstandenen Unheil zu berichten. Aber wie es nun mal so ist im Leben: Leid und Glück liegen oftmals dicht beieinander. Und so war dem Ritter Kuno von Reifenberg gerade an diesem Tag das Glück schon zweimal hold gewesen. Zum einen hatte ein anderer Trupp bei Dortelweil einen guten Fang gemacht, der ihn den Verlust der Waren des Krämers bis auf weiteres verschmerzen ließ. Zum anderen war ihm ein Sohn geboren. Und dies tat er Isgrim denn Kund:

„Geh’ denn hinüber zu Frau Magdhilt und lass dir den jungen Herren zeigen. Bring der Frau deinen Glückwunsch ... wie’s Dir geziemt als dem ältesten der Mannen in der Burg, der zugleich auch am längsten meinem Geschlechte dient.“

„Erlaubt mir, Herr, dass ich auch dem Vater Glück zu sage! ... Und sagt mir, bevor ich gehe noch, was mit dem Philipp geschehen soll.“

„Nun, da Du mir selbst den Philipp sonst immer als einen dienstsamen Mann geschildert hast, will ich ihn so hart strafen als es mein heut frohgemut’ Herz vermag. Sag ihm denn, dass ich ihm für diesen Herbst das Waidrecht auf Hasen und auf eine Rehgeiß im Winter entziehe. Und verkünd’ ihm ferner, dass ihm versagt bleibt, während dieses Sommers noch an einem Zug teilzunehmen. Er soll derweil sorgen, dass er sich übt, den Bolz auf der Armbrust nur dann fliegen zu heißen, wenn er mir nicht mehr Schaden verursacht. Mag er sehen, wie er sich mit dem kargen Sold ohne Beuteanteil über die Zeit hinweg hilft.“

„Die Strafe ist lind genug, Herr! Dennoch lasset mich euch zu bedenken geben, dass der lindeste Teil den Philipp am härtesten treffen muss. Härter als ihr vermeint. Der Friedlin habe ich das Kindlein der Toten übergeben.“

„Du hast gerechten Sinn, alter Wolf! ... Du willst wohl das Geschick vermögen, die Strafe zu meistern, damit sie sich von dem Unheiligen wende? Nun, an dem, was ich gesagt, wende ich ungern ein Wort um. Es bleibt bei der Straf, wie ich sie dem Philipp verhieß. Seinem Weibe aber, der Friedlin, darfst du bestellen: Sie empfange aus meiner Frau Magdhilt Güte und aus deren Freude über den gefunden Buben von heut an einen Laib Brot täglich, ebenso einen Krug Milch und aller Wochen ein Töpflein voll Butter.“

So hatte der Reifenberger gesprochen, und nun wies er seinem Knappen den Rücken, um zu zeigen, dass er kein weiteres Wort über die Sache zu reden gewillt sei.

(Teil 2 folgt später)



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Walburga

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Geschrieben: 19.08.2010 22:56

Fünfzehnmal hatte der Feldberg sein Haupt mit Schnee verhüllt getragen. Grimmige Winter waren von der Höh hinab in die Mainebene gezogen, während die Menschen hungernd und frierend in ihren Häusern saßen, oftmals die kühn gewordenen Wölfe bei den Dörfern heulen hörten und doch die Hoffnung auf Frühling in sich trugen.

Aber so ein Taunus-Winter hatte auch sein Gutes: Nidda und Main waren oft von so dickem Eis bedeckt, dass die Fuhrleute den Brückenzoll sparen konnten. Und in die Taunusdörfer kam sogar die Mär von einem großen ritterlichen Turnier, das bei der Reichstadt Frankfurt auf dem Main-Eis stattgefunden habe.

Doch wich nun auch der Schnee fünfzehnmal aus dem Taunus und gab das Land ringsum wieder frei ... der Schnee auf Isgrims Haupt – Ihr erinnert Euch, der alte Knecht mit dem wehenden Bart – genau dieses Weiß wollte nicht verschwinden. Hatte er doch schon so an die 70 Winter gesehen.

Im Reifenberger Philippshäusel, in dem seit jenem Unglückssommer das Härmlein zu Hause war, hatte sich einiges geändert. Gerade als ein Jahr vergangen, gebar Friedlin, die Brettchenweberin, einen Knaben und darüber war natürlich erst einmal große Freude. Doch drei Jahre später hatte Philipp traurig zu dem alten Isgrim gesprochen:

„Die ich erschoss, sie hat sich an mir und den Meinen gerächt! Unser Büblein wächst als ein armselig Geschöpf heran. Es bewältigt das Reden nicht, wie auch die Zeit vergehen möchte. Mit krummen Beinen und blöden Blick wankt er durch die Burg, geführt und behütet durch unser Härmlein.“

Inzwischen war der Lotz, wie ihn alle nur nannten, zu einem für sein Alter mächtig großen und kräftigen Burschen herangewachsen. Zwar tat es das Reden immer noch nicht, nur ein Stammeln entfuhr gelegentlich seinem Mund. Allerdings hatte er die besondere Gabe, sich im Wald nicht nur gut auszukennen. Nein, es schien, als würde er mit den Tieren reden können und an einem Tag brachte er sogar einen Wolf mit in den Burghof, was natürlich das gesamte Gesinde erschauern ließ. So hatte sich das Bild inzwischen umgekehrt, jetzt beschützte er das Härmlein auf jedem ihrer Schritte, sei es beim Spiel in der Burg oder bei Ausflügen im Wald.

Friedlin indes war nicht nur älter, sondern auch gramvoll geworden. Ihre Hände zitterten beim Weben schon ein wenig und wenn ihr die Tränen auch noch den Blick trübten, dann dachte sie an ihren Philipp. Der war eines Winters hinaus gegangen, um Holz zu lesen, denn es ging knapp her im Philippshäusel.

Die Nacht begann zu sinken, ohne dass der Mann heimgekehrt war. Und als Friedlin in der Dämmerung des andern Tages mit Isgrim suchen ging, fand sie ihren Philipp halb vom Schnee begraben, einen Armvoll dürres Holz unter sein Haupt gelegt und schlief so friedlich, als hätte er in einem süßen Traum vergessen, dass man daheim voll Kummer auf ihn wartete. Es war wohl genauso wie bei den Kindern an der Jammerhecke von Brombach oben ... aber das ist eine andere Geschichte.

Das war schlimm für Friedlin, nun war sie also nicht nur Witwe, sondern allein verantwortlich für zwei Waisen.

Auch auf der Burg selbst blieb das Unheil nicht aus, wenn es erst einmal auch nicht so schien. Das erste Büblein des Kuno von Reifenberg und seiner Frau Magdhilt war auf den Namen Dymar getauft worden. Er entwickelte sich zu der Burgfrau Stolz und des Ritters Freude. Und im gleichen Maße staunte Isgrim immer mehr über seines Herrn Güte und Freundlichkeit. Aller Eigensinn und das harte Wesen des Ritters war geschmolzen wie der Schnee vom Feldberg im Frühling. Ringsum im Land redete man von dem großen Glück auf Reifenberg, denn der Herr tat viel Gutes an seinen Leuten und seinen Bauern. Und griff er mal zu den Waffen, dann geschah es mehr, um ein Unrecht zu vergelten.

Dann kam einer dieser grimmigen Winter und wollte nicht wieder weichen. Der Schnee lag in den Massen, dass niemand den Weg hätte von außen zur Burg finden können. Und Frau Magdhilt lag in schweren Wehen mit ihrem zweiten Kindlein und es wollte und wollte nicht kommen. So befürchteten alle das Schlimmste. Was darauf geschah, hörte man später von Gudrun, der Baderin:

„Eingeschlossen hat er sich, der Kuno, in seiner Kammer und war für Stunden nicht zu sehen. Durch die Tür vernahmen wir sein unablässiges Beten und Rufen. Und wie durch ein Wunder wurde Frau Magdhilt ruhiger und wenig später küsste der Ritter seine Frau und hielt die leichte Bürde seines zweiten Sohnes auf den Armen. Und er gab ihm den Namen Winther, weil er ihm den Sommer seines Lebens – die gute Frau Magdhilt – nehmen wollte und weil er ihm sozusagen den ersten Frost aufs Haupt gestreut hätte.

Aber niemand – auch seine Frau nicht – erfuhr in den ersten Tagen nach der Geburt, WAS ihr das Leben geschenkt hatte. In der stillen Kammer, auf seinen Knien hatte er den Eid getan, den Dymar seinem Gott und der Kirche zu schenken, wenn seine Frau am Leben bleiben würde. Der arme Junge.“

So erzählte es Gudrun jedem und klagte vor allem darüber, dass der freundliche und hübsche Junker recht bald hinter Klostermauern leben müsse, denn Ihr erinnert Euch, was Kuno damals zu Isgrim gesagt hatte:

„An dem, was ich verkündet, wende ich ungern ein Wort!“

(Teil 3 folgt später)



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Walburga

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Geschrieben: 22.08.2010 15:46

Aber Dymar, der von seinem Schicksal lange Zeit nichts ahnte ... sein Vater wollte ihm noch die ungetrübte Freude gönnen ... , hatte inzwischen eine Gespielin gefunden – und diese war das Härmlein. So wie er ein stattlich Junkerlein mit der Kraft junger Taunustannen geworden war, so war das Härmlein zu einem gar lieblichen Mädchen geworden. Und schließlich entwickelte sich die junge Liebe ... eine Liebe, die nicht nur durch den Schwur des Ritters ohne Zukunft war, denn wie hätte die Ziehtochter einer Weberin mit einem Junker leben können ... auch wenn selbst Frau Magdhilt immer wieder von dem gesitteten Wesen des Mädchens begeistert war.

Und unweigerlich kam er, der Tag des Abschieds. Am Hofe des Landgrafen Brendel von Homburg sollte für Dymar die Ausbildung zum Diener der Kirche beginnen. Dymar versicherte seinem Härmlein, dass er zurückkommen würde, egal wie hoch die Klostermauern wären.

Doch nach 3 Jahren begann der Zweifel an dem Vertrauen des Härmleins zu nagen. So beschloss es in einem der schlaflosen Nächte nach Homburg zu wandern. Am Morgen nahm sie ihren Bruder und Beschützer hinterm Haus beiseite und fragte ihn nach dem Weg. Und als dieser mit Gesten andeutete, dass er sie führen würde, machten sie sich nach dem Mittagsläuten auf.

Bald ging der Weg schwer bergan, bald leicht in die Täler, bis sie an einen Bach kamen ... was meint ihr, welcher Bach dies war, über den sie mal auf der einen dann wieder auf der anderen Seite auf einem schmalen Pfad folgten ... bis sie auf eine sanft geneigte Wiese kamen. Über dem Wiesengrün leuchtete in der Sonne ein roter Fleck. Ein grauer Turm hob sich aus dem Rot hervor.

Das Härmlein schürzte sich die feuchtgewordenen Röcklein höher und schlug den Weg über die Wiesen ein, bis sie auf einen Tümpel traf und dort ein kleines Mädchen vorfand, das ein paar ruppige Gänse hütete.

„Sag Lieblein – weißt du, ob das hier Homburg ist?“

„Nein – diesen Ort nennt man Oberursel. Ich hab Euch längst gesehen. Ihr kamt doch dorther, wo der Bach dem Wald entläuft? ... Nun, der Bach ist doch der Urselbach. Das wisst ihr nicht ... das weiß doch jeder hier. Dort wo ihr herkommt, ist das hinter dem Walde dort? Ich meine, weil ich Euch noch nie hier sah. ... Hört da die Welt auf?“

„Nein, Lieblein – leicht fängt sie da erst an!“ antwortete das Härmlein.

„Und kann man dahin auf einem Besen reiten?“

„Wer täte denn das ... reiten kann man doch nur auf einem Ross.“

„Oh nein – in unserm Ort war eine Frau, die ritt auf dem Besen oder auf der Ofengabel durch die Luft. Und weil das eine Sünde war, so hat man sie auf unserm Markt verbrannt ... Lach nicht ... Nein, das ist kein Märlein, meine Mutter war dabei und meine Mutter sieht das Brennen gar gern und meint, es müsse in Homburg auch bald geschehen.“

„Geh, rede nicht so erträumte Sachen!“ schalt das Härmlein. Und im Scherz ergriff sie einen Besen, der auf der Erde verbraucht und nutzlos herumlag. „Sollt dich eigentlich damit schlagen, weil du mich zum Narren hältst. Doch sieh, ich schmücke es dir mit allen den lieben Blumen, die ich bei mir habe. Dann hast du gleich ein schönes Maienbäumlein – lang vor der Zeit oder ich winde Dir ein Kränzlein daraus, mein Frühlingsenglein ...... wenn du mir dafür sagst, wo des Landgrafen Schloss in Homburg ist.“

Da rannte plötzlich eine Frau aus den Häusern her und riss aufgeregt dem Kinde das gerade fertig gestellte Kränzlein vom Kopf. Und als das Mädchen zu weinen begann, schlug sie auch noch auf es ein. Der Lotz sprang dazwischen, ergriff das keifende Weib, hob sie hoch und schwenkte sie mit einem heisern Ruf um sich herum.

„Lotz! Lotz! Lass die Frau los! Bitte setz sie ab! Sie weiß es nicht besser ... komm lass uns gehen.“

Schnell zog das Härmlein den Lotz mit sich. Sie erkannte die unheilvolle Stimmung der Situation. Und wie wahr. Nach dem die nun am Boden jammernde Frau ihre Wut wiedergefunden hatte, schleuderte sie dem Härmlein den Besen hinterher und beschimpfte sie laut als Hexe.

(Teil 4 folgt)



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Teleri

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Geschrieben: 16.02.2014 17:19

Hallo Walburga,

danke für die Mühe, die du dir gemacht hast, diese Geschichte hier einzustellen. Schade, dass du den 4. Teil nicht mehr erzählt hast. Zwar hast du die Geschichte vor langer Zeit eingestellt und ich gebe zu, sie auch erst jetzt gelesen zu haben, aber nun, da ich mich eingelesen habe, wüsste ich gern, wie sie weiter geht und vor allem wie sie ausgeht.

Lieben Gruß, Teli



Liebe Dich selbst, dann können die anderen Dich gern haben! (Eckart von Hirschhausen)

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Haiflaier

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Geschrieben: 17.02.2014 14:11

Ich auch Teil 4 will!


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Walburga

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Geschrieben: 04.10.2014 17:01

Welch eine Blamage!!!
Hat mich mein Erzählmeister nicht gelehrt, dass man eine Geschichte IMMER zu Ende erzählen muss? Das tut mir wirklich leid. Ich habe die Kommentare hier auch völlig übersehen in den letzten Monaten.

Also hier kommt Teil 4 (wobei ich sagen muss, dass ich die Geschichte heute bestimmt etwas anders erzählen würde)

Was für seltsame Menschen waren dem Härmlein und ihrem Bruder da begegnet. Unheilvoll klang ihnen noch das Gezeter der Frau in den Ohren, aber irgendwie fanden die beiden nach Homburg.

Jedoch war Dymar dort nicht mehr. Er war schon nach Mainz weiter gereist, um dort beim Erzbischof sein Studium fortzusetzen. Doch auch hier erregte das Härmlein die Aufmerksamkeit eines Fremden ... eines Mönches: "Das kann doch nicht sein? Ja, ist es denn möglich?" Er gebärdete sich, als hätte er einen Geist gesehen. Und so lud er das hübsche Mädchen ein, um genau zu erfahren, wer sie sei. Und als er die Geschichte aus ihrem Mund hörte, dass sie ein Findelkind sei, auf der Burg Reifenberg aufgewachsen, da wurde ihm klar, woher die Ähnlichkeit mit einer Dame kam, die schon längst verstorben war ... der Großmutter des Härmleins. Und so erzählte er ihr die wahre Geschichte ihrer Herkunft:

Des Härmleins Vater, ein Mann von adligem Stand, hatte ihre Mutter einst gegen den Willen der Großmutter gefreit und so waren sie sozusagen auf der Flucht, zuerst nach Idstein und dann auf dem Weg nach Frankfurt. Als sie über den Feldberg kamen, wollte ihr Vater zum Mittag einen Hasen jagen und hieß ihre Mutter mit dem Wagen weiter fahren. Sie kam aber vom Weg ab und so traf sie der voreilige Schuss des Philipp.

Warum ihr Vater sie nicht gesucht hatte, werdet Ihr fragen? Nun, er hatte das Gerücht von dem Zwischenfall wohl gehört, jedoch mit großem Betrüben auch vernommen, das Kindlein sei auch getötet. So zog er als Minnesänger durch die Lande und war damit sogar sehr anerkannt ... wie alle Geschichtenerzähler, die in ihren Liedern und Märchen fühlen, was die Protagonisten fühlen, die ihr Herz und nicht ihren Mund sprechen lassen ... wer hätte ihm nicht gerne zugehört.

Jedenfalls war die Freude beim Härmlein groß, denn nun war sie dem Dymar ja als Gemahlin ebenbürtig und wenn er nun noch einen Weg fände, dem Kirchendienst entsagen zu können ...

Zunächst bat der Mönch sie jedoch, wieder nach Reifenberg zurückzukehren. Er würde sich darum kümmern, Dymar eine Nachricht zukommen zu lassen. Doch in Reifenberg geriet das Mädchen in die Fänge eines Mannes der Kirche, der nichts Gutes mit ihr vorhatte ... ein Hexenjäger. Diese Frau in Oberursel hatte doch von diesem fremden Mächen erzählt, dass auf den Schultern des Teufels über den Berg gekommen sei ... dass die Jungfrau ihre Tochter verhext hätte ... dass der Teufel sie selbst empor gerissen und mit ihr über die Höh geflogen sei (womit sie sich dann auch noch selbst im wahrsten Sinne des Wortes hereingeritten hatte) ... solch Aberglaube wurde damals verbreitet.

Zwar konnte das Härmlein von Dymar mit Unterstützung von Isgrim befreit werden. Jedoch starb sie in seinen Armen an den Auswirkungen der Folter. Der verzweifelte Dymar sah darin die Strafe, dass er sich dem Schwur seines Vaters entziehen wollte. Und so legte er endgültig seinen Ritterharnisch und seine Waffen ab, um künftig nur noch seinem Gott zu dienen.

Natürlich werdet Ihr von Ylante von Dreilinden in keiner Chronik etwas finden. Diesen Namen hat das Härmlein von Reifenberg niemals wirklich getragen und auch die Ehe ihrer Eltern war ja niemals eine öffentliche. Der alte Isgrim ... der „graue Wolf“ erkannte, dass die Worte der sterbenden Frau damals dem Wiesel gegolten hatten ... einem Hermelin.

Das ist also die Geschichte, die unserer Tanzgruppe den Namen gab. Mögen alle Zeit die Mägdlein und Burschen so flink tanzen wie das Wiesel und mögen sie so anmutig und schön sein, wie das Härmlein.







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